Bericht über das Fachseminar am 19.10.2017 in Düsseldorf
1. Einleitung
In der täglichen Praxis ist zu beobachten, dass immer mehr Beamte wegen psychischer Belastungen oder körperlichen Einschränkungen vorzeitig wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden. Für den betroffenen Beamten sind die Auswirkungen elementar und auch der Dienstherr tut gut daran, das Verfahren rechtssicher zu gestalten.
Zu diesem Thema trafen sich am 19.10.2017 in Düsseldorf Personalverantwortliche aus Behörden, Personalräte und Rechtsanwälte, die ihren Schwerpunkt auf das Beamtenrecht legen, zu einem Fachseminar des Düsseldorfer Instituts für Dienstrecht.
Prof. Dr. Michael Koop, Präsident der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen, eröffnete mit einem Vortrag zum behördlichen Gesundheitsmanagement die Fortbildung. Seit einigen Jahren erforscht er schwerpunktmäßig das betriebliche Gesundheitsmanagement im öffentlichen Dienst, zuletzt auch unter dem Blickwinkel der Gesundheitsökonomik. Dr. Eberhard Baden, als Rechtsanwalt in Bonn seit über 30 Jahren auf das Gebiet des Beamten- und Disziplinarrechts spezialisiert, übernahm den juristischen Schwerpunkt des Seminars und berichtete über die rechtlichen Fallstricke einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit. Baden unterrichtet als Dozent u.a. junge Kollegen bei der Deutschen Anwaltakademie und ist auch in der Aus- und Fortbildung von Personalräten gefragt.
2. Erfordernisse und Aufbau eines behördlichen Gesundheitsmanagements
Als Sozialwissenschaftler näherte sich Prof. Dr. Koop dem Thema des Seminars zunächst von einer für die Teilnehmer gänzlich neuen Seite. Fachübergreifend verstand er es, die Erfordernisse eines behördlichen Gesundheitsmanagements (BGM) verständlich zu machen und den juristischen und behördlichen Blick für das Thema der Prävention zu schärfen.
Grundlegendes Ziel eines BGM sei es, die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten, bzw. da wo sie erheblich eingeschränkt ist, zu verbessern. Damit erreiche man zugleich auch Sekundärziele, die Tage der Dienstunfähigkeit zu reduzieren, eine Erhöhung der Produktivität und am Ende auch eine höhere „Kundenzufriedenheit“.
In seinem Vortrag gab Koop auch dem Symptom „Dienst nach Vorschrift“ einen wissenschaftlichen Namen. Als „Präsentismus“ bezeichnete er den Zustand, dass Beamte zwar anwesend aber körperlich, kognitiv oder emotional eingeschränkt sind. Davon seien viele Mitarbeiter betroffen, gemein sei bei ihnen eine Reduzierung der Leistungsfähigkeit. Ein Lösungsansatz müsse ganz oben in der Verwaltungsspitze gefunden werden, so Koop. Im Thema „BGM“ sei eben auch „Management“ enthalten und die erforderliche Motivation der Beamten erreiche man effektiv nur, wenn man sie von oben nach unten weitergebe.
Laut Koop ist das BGM in drei Präventionssäulen teilbar: Gesundheit erhalten, durch Arbeitsschutz (BAS), Gesundheit wiederherstellen, durch Eingliederungsmanagement (BEM) und Gesundheit fördern, durch Gesundheitsförderung (BGF). Umsetzungsmöglichkeiten sah Koop bei dem einzelnen Beamten aber auch grundlegend in den Arbeitsverhältnissen. Strukturierte Analysen von „ist“ und „soll“ seien Fragen, die die Verwaltungsspitze als ihre Managementaufgaben zu erfüllen habe. Nur so könne man langfristig und nachhaltig Lösungen finden und umsetzen. Einfacher und rascher durchführbar seien auch Schulungen von einzelnen Beamten zum Thema Stress- und Konfliktbewältigung. Als nachteilig beschrieb Koop aber hier die unklare Wirkungsdauer.
Viele Beamte sind kurzweilig erkrankt. Nur wenige erkranken tatsächlich dauerhaft. Trotzdem riet Koop dazu, bei dieser kleinen Gruppe mit Maßnahmen des BGM anzusetzen. Denn gerade diese 5% seien für etwa 42,7 % der Dienstunfähigkeitstage verantwortlich.
Abschließend wies der Verwaltungswissenschaftler auf § 76 LBG NRW hin. Seit dem DRModG 2016 ist hier die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verankert. Das BGM wird auch im Gesetz als Aufgabe der Verwaltung hervorgehoben. Strategische Maßnahmen und Prozesse seien in den Verwaltungen erforderlich, um langfristig Erfolg zu haben, so Koop. Dies war laut einer Umfrage von Koop in Niedersachen 2014 noch nicht in den Verwaltungsspitzen angekommen. Es bleibe also zu hoffen, dass die Behörden künftig auch die Mitarbeitergesundheit als Leitbild erkennen und das BGM als echtes Managementinstrument verstehen.
Zum Abschluss die Frage: Lohnt sich BGM? Diese Frage beantwortet Koop als Referent in Großunternehmen der privaten Wirtschaft gerne und eindeutig mit einem „Ja“. Am Ende zähle hier die Rendite. Gesunde und motivierte Mitarbeiter seien leistungsstärker, das gelte aber ebenso in der öffentlichen Verwaltung.
3. Dauerhafte Dienstunfähigkeit
Im zweiten Teil übernahm Rechtsanwalt Dr. Eberhard Baden die Aufgabe, zu beleuchten, was zu beachten ist, wenn jede präventive Maßnahme eines BGM nicht gegriffen hat und die dauerhafte Dienstunfähigkeit eines Beamten im Raum steht.
Zu Beginn widmete sich Baden der Frage, was genau unter Dienstunfähigkeit zu bestehen ist, denn das Gesetz bietet hier Differenzierungen an. Abzugrenzen sei eine „Teildienstfähigkeit“ oder eine „beschränkte Dienstfähigkeit“. Ebenso bedeutsam sei die Frage, wann von einer Dauerhaftigkeit der Dienstunfähigkeit gesprochen werden könne.
In jedem Verfahren sei es eine wesentliche Voraussetzung, dass in einer amtsärztlichen Untersuchung festgestellt werden müsse, ob innerhalb der nächsten sechs Monate mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit gerechnet werden könne. Die Anordnung zu einer solchen amtsärztlichen Untersuchung müsse umfassend sein. Laut Baden sei es ein erstes Indiz für die Rechtswidrigkeit der Anordnung, wenn der Arzt mehr wisse, als der Betroffene. Daher riet er, sich die Anordnung schriftlich aushändigen zu lassen oder diese direkt an den Rechtsanwalt zur Überprüfung schicken zu lassen.
Leidet die Anordnung unter Fehlern, weil sie zu unbestimmt sei oder dem Arzt einen zu großen eigenen Entscheidungsspielraum überlasse, stehe der Beamte vor der Frage, ob er den Termin wahrnehmen solle. Baden zeigte auf, dass nur ein Eilverfahren der juristisch sichere Weg sei, die Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüfen zu lassen.
4. Das Verfahren der Zurruhesetzung
Im dritten Teil des Seminars widmete sich Baden dem Verfahren einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Der Rechtsanwalt wies darauf hin, dass eine Behörde, selbst wenn die Zweifel noch so groß sind, dass der Beamte seinen Dienst nicht erfüllen können wird, noch weitere Zwischenüberlegungen anzustellen habe.
Um der Überhand nehmenden Frühpensionierung von dienstunfähig gewordenen Beamten zu begegnen, sei der Grundsatz der „Weiterverwendung vor Versorgung“ ein wesentlicher Bestandteil jedes Verfahrens einer Zurruhesetzung geworden. Der Dienstherr müsse zunächst eine umfangreiche Suchpflicht erfüllen. Im gesamten Dienstgebiet müsse nach einer anderweitigen amtsangemessenen Verwendung des Beamten gesucht werden, so Baden. Für ihn liegen hier rechtliche Fallstricke, die viele Behörden zum Stolpern bringen.
Erst wenn diese Suche tatsächlich ergebnislos ist und auch ein Laufbahnwechsel nicht in Betracht kommt, könne der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden. Nicht ohne Grund wies Baden zum Abschluss auch auf die Möglichkeit einer sog. „Reaktivierung“ hin. Beamte erkrankten immer jünger und insbesondere der Heilungsverlauf von psychischen Erkrankungen sei ungewiss. Ein einmal in den Ruhestand versetzter Beamter, der nach Jahren wieder Gesund werde, könne von seinen Dienstherrn wieder in den aktiven Dienst zurückgeholt werden, so Baden. Das Prinzip der Verbeamtung auf Lebenszeit zeige sich hier in zwei unterschiedlichen Varianten.
5. Resümee
Am Ende des Fachseminars war allen Teilnehmern klar, dass Gesundheitsmanagement mehr bedeutet, als einen Obstteller für Besprechungen bereit zu stellen. Der fachübergreifende Vortrag von Koop hat aufgezeigt, dass präventives Handeln der Verwaltungsspitze erforderlich ist. Dennoch wurde den Anwesenden klar, dass der Weg zu einer gesunden Verwaltung weder leicht noch kurz ist. Die Hinweise von Baden trafen daher auf dankbare, offene Ohren, denn die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit wird Behörden und Rechtsanwälte auch weiterhin vor Herausforderungen stellen.
Sarah Nußbaum
Rechtsanwältin / Tagungsleitung